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ARCHITEKTUR
Bei der Errichtung der Bojana-Kirche kann man drei Bauetappen
unterscheiden: die erste Ende des 10./Anfang des 11. Jahrhunderts,
die zweite Mitte des 13. Jahrhunderts und die dritte im 19. Jahrhundert.
Der erste (östliche) Teil der Kirche ist ein kleines Kreuzkuppelgebäude
mit einer Apsis und eingearbeiteten Stützen, die ein Kreuz
bilden. Es wurde Ende des 10., Anfang des 11. Jahrhunderts errichtet.
Der zweite Teil der Kirche wurde Mitte des 13. Jahrhunderts durch
die Stiftungen des Sebastokrators Kalojan und seiner Gattin Dessislawa
angebaut. Er gehört zum Typ der zweistöckigen Grabeskirchen.
Der untere Teil war als Begräbnisstätte der Stifter gedacht,
er war mit einer zylinderförmigen Wölbung mit zwei gewölbten
Nischen in der Nord- und der Südwand gestaltet, der zweite
wiederholt den architektonischen Typ der ursprünglichen Kirche,
er diente als Familienkapelle. Kennzeichnend für den Fassadenschmuck
des zweiten Teils der Kirche ist der Schmuck aus keramischer Plastik.
Der letzte Teil des Denkmals, der mit Spenden der einheimischen
Bevölkerung errichtet wurde, stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.
WANDMALEREIEN
• Erste Malereischicht
Die erste Malereischicht, die den östlichen Teil der Kirche
völlig bedeckte, datiert in das 11. bis 12. Jahrhundert. Fragmente
davon kann man im unteren Teil der Apsis und an der Nordwand sowie
dem oberen Teil der Westwand und des südlichen Bogens sehen.
• Zweite Malereischicht
Laut der Stifterinschrift, die sich an der Nordwand
des zweiten Teils der Kirche befindet, datiert die zweite Malereischicht
in das Jahr 1259. Damals wurde von einem unbekannten Malerteam eine
neue Schicht Wandmalereien aufgetragen, und zwar in beiden Stockwerken
des zweiten Teils der Kirche.
Die Bojana-Kirche verdankt ihren Weltruhm vor allem den Wandmalereien
von 1259, die eine außerordentliche Leistung der mittelalterlichen
Kultur Bulgariens sind. Der überwiegende Teil der über
240 Darstellungen zeichnet sich durch Individualität, eine
überzeugende psychologische Charakteristik und Vitalität
aus. Die Malerei befolgt den Kanon für den Schmuck einer christlichen
Kirche, der vom Siebten ökumenischen Konzil 787 in Nizäa
festgelegt wurde.
In der Kuppel des ersten Teils der Kirche befindet sich das erhabene
Bild von Christus Allherrscher (Pantokrator). Darunter, in der Trommel,
sind Engel dargestellt und in den Pendentifs die vier Evangelisten
Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. An die Fronten der Bögen
sind vier Gestalten Christi gemalt: Emmanuel, der Alte der Tage,
die Acheiropoietoi Mandylion und Keramidium. Es folgen Szenen der
Großen Kirchenfeste und der Passion Christi. Im ersten Register,
inmitten von Heiligen in ganzer Gestalt, sind zehn Soldaten abgebildet.
In der Altarkonche ist die hl. Gottesmutter mit dem Kind auf einem
Thron und von Engeln umgeben dargestellt. Unter ihr befinden sich
die vier Kirchenväter: hl. Gregorios der Theologe, Basilius
der Große, Johannes Chrysostomos und der Patriarch Germanos.
Zu beiden Seiten des Altars sind die Bilder der Diakonen Laurentius,
Euplios und Stephanos sowie der hl. Nikolaus, der Patron der unteren
Etage, ein sehr populärer Heiliger, der als der Schutzherr
der Seeleute, Kaufleute und Banker bekannt ist, dargestellt.
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Im Narthex (dem zweiten Teil der Kirche)
berichten 18 Bilder über die Vita des hl. Nikolaus. In sie
hat der Maler Elemente aus dem Alltag seiner Zeitgenossen aufgenommen,
an vielen Stellen der Kompositionen sind die Figuren und vor allem
deren Gesichter mit psychologischem Realismus gestaltet. In der
Lünette über dem Eingang zum Narthex befinden sich die
Darstellungen der hl. Gottesmutter mit dem Christuskind, der hl.
Anna und des hl. Joachim sowie der segnenden Rechte Gottes. Auf
den unteren Teilen der Wände sind die hl. Katharina, die hl.
Marina, der hl. Theodoros Studitos und der hl. Pachomios gemalt.
Im südlichen Arkosolium befindet sich die Komposition Christus
mit den Buchgelehrten, im nördlichen der Tempelgang der Gottesmutter.
Im Vorraum sind zwei Heilige gemalt, die von den Bulgaren sehr verehrt
werden: der hl. Iwan von Rila (die älteste erhaltene Darstellung
von ihm) und die hl. Paraskewa (Petka). Hier, unter den Bildern
der Mönche, befindet sich auch das des Eremiten hl. Ephremios
Sirinos. Die ausdrucksvollen realistischen Bildnisse der Stifter
Sebastokrator Kalojan und seiner Gattin Dessislawa sowie des bulgarischen
Zaren Konstantin Assen der Stille und der Zarin Irina sind präzise,
mit viel Können und Gefühl ausgeführt. Das sind einige
der ältesten erhaltenen Porträts von Persönlichkeiten
aus der bulgarischen Geschichte.
Die Namen der Schöpfer sind unbekannt, die Bezeichnung Meister
von Bojana ist ein Sammelbegriff für das Kollektiv, das die
Kirche ausgemalt und seine Kunst in den Ateliers der Malschule Tarnowo
erlernt hat. Die Wandmalereien besitzen außerordentliche künstlerische
Qualitäten, die Technik ist vollkommen, sie sind voller psychologischer
Tiefe, kompliziert und realistisch. Bojana ist das einzige vollkommen
erhaltene Denkmal der Malschule Tarnowo aus dem 13. Jahrhundert.
Nach Meinung sehr prominenter Spezialisten sind die weltbekannten
Wandmalereien der Bojana-Kirche von definitiver Bedeutung für
die Entwicklung der bulgarischen und europäischen Wandmalerei
des Mittelalters.
• Späte Wandmalereien
In einzelnen Teilen des Denkmals hat man neue Schichten aufgetragen,
von denen der größere Teil bis in unsere Tage erhalten
ist.
Unter den einzelnen späteren Darstellungen in der Bojana-Kirche
befinden sich die Szene Tempelgang der Gottesmutter aus dem 14.
Jahrhundert, die Gestalt des hl. Nikolaus aus dem 16./17. Jahrhundert
und die Bildnisse der beiden Schutzherren der Kirche, hl. Nikolaus
und hl. Pantelejmon, aus dem Jahr 1882.
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